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Stellungnahme zum Artikel der NOZ: Sicherheit entsteht nicht durch Mauern

Stellungnahme der Diakonie Osnabrück zum Artikel der NOZ vom 17.05.25: „Psychisch Kranke leichter wegsperren? Sicherheit: Oberbürgermeister fordern leichtere Handhabe" von Jonas E. Koch.

Immer wieder werden nach schweren Gewalttaten Stimmen laut, die fordern, psychisch kranke Menschen zum Schutz der Gesellschaft frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Diese Forderung, so verständlich sie auf den ersten Blick erscheinen mag, ist in ihrer Pauschalität gefährlich, stigmatisierend – und historisch mehr als belastet.

„Ja, es gibt reale Ängste in der Bevölkerung, gerade nach Übergriffen durch psychisch erkrankte Täter. Diese Sorgen dürfen nicht einfach abgetan werden, denn sie entspringen oft realen Erfahrungen oder einer tiefen Verunsicherung“, sagt Petra Buderath, Geschäftsbereichsleitung für psychologische Beratung in der Diakonie Osnabrück Stadt und Land und fährt fort: „Die Gesellschaft hat das Recht auf Sicherheit – aber auch die Pflicht zur Differenzierung.“

Denn nicht jeder Mensch mit einer psychischen Erkrankung ist eine potenzielle Gefahr. Im Gegenteil: „Viele Betroffene leiden still, stellen keine Bedrohung für andere dar und wünschen sich nichts sehnlicher als Hilfe. Doch hier liegt das eigentliche Problem: Es fehlt massiv an Therapieplätzen“, so die Erfahrung der Diakonie Osnabrück. Die Wartezeiten auf ambulante Psychotherapie betragen vielerorts sechs Monate bis über ein Jahr. In dieser Zeit können sich Krankheitsbilder massiv verschlechtern – mit Folgen für die Betroffenen und möglicherweise auch ihr Umfeld.

„Wegsperren als präventive Maßnahme ist nicht nur medizinisch und ethisch fragwürdig, sondern erinnert auch an dunkle Kapitel der deutschen Geschichte, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen entrechtet, isoliert und vernichtet wurden. Das darf sich niemals wiederholen“, sagt Friedemann Pannen, theologischer Geschäftsführer der Diakonie Osnabrück.

Was wir brauchen, ist eine doppelte Perspektive: Einerseits Investitionen in den Ausbau psychotherapeutischer und psychiatrischer Versorgung – mehr Kassenplätze, mehr niedergelassene Therapeutinnen und Therapeuten, mehr Kriseninterventionsangebote. Andererseits präventive Unterstützung, bevor es zur Eskalation kommt: niederschwellige Angebote, mehr Schulung von Polizei, Lehrkräften und Sozialarbeitern im Umgang mit psychischen Erkrankungen, mehr Aufklärung in der Öffentlichkeit.

Es ist eine Gratwanderung zwischen Fürsorge und Schutz. „Doch wenn wir anfangen, Menschen mit psychischen Erkrankungen pauschal als Risiko zu betrachten, verlieren wir als Gesellschaft unsere Menschlichkeit. Sicherheit entsteht nicht durch Mauern, sondern durch Verständnis, frühzeitige Hilfe und eine funktionierende psychosoziale Infrastruktur“, unterstreicht Pannen.

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