Diakonie und Caritas zeigen sich entsetzt über den Kommentar der NOZ-Chefredakteurin Louisa Riepe zum Protest gegen rechtsextremistische Parteien
Louisa Riepes vermeintlich wissenschaftliche Begründung blendet aus, dass die Adressat*innen des Protests keine homogene soziale Gruppe darstellen. Dass die NOZ in ihrer Printausgabe am Holocaust-Gedenktag den Protest eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen eine rechtsextremistische Partei abwertet, ist aus Sicht des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Osnabrück und der Diakonie Osnabrück Stadt und Land ein Schlag ins Gesicht aller Demokrat*innen. Beide Wohlfahrtsverbände vermissen in Riepes Kommentar Alternativen zum Umgang mit dem erstarkenden Rechtsextremismus.
Die Zielgruppe des Protests der zivilgesellschaftlichen Gruppen am 25. Januar vor dem Theater in Osnabrück ist vielfältig. „Wir haben es hier keineswegs mit einer homogenen sozialen Gruppe im Sinne des von Louisa Riepe zitierten sozialpsychologischen Ansatzes zu tun“, sagt Friedemann Pannen, theologischer Geschäftsführer der Diakonie Osnabrück Stadt und Land gGmbH. Vielmehr müsse differenziert hingeschaut werden. Niemand erwarte, dass sich Funktionär*innen oder Mitglieder rechtsextremistischer Parteien von lautstarkem Protest umstimmen ließen. Ob sie im Sinne der Theorie der „optimalen Unterscheidbarkeit“ dadurch gestärkt würden, bleibt dahingestellt. „Es ist aber auch nicht die Absicht unseres Engagements gegen das Erstarken rechtsextremistischer Parteien, deren Funktionär*innen und Mitglieder umzustimmen. Wir wollen laut und deutlich kenntlich machen, dass diese Parteien keine normalen Parteien sind, wie die anderen.“ Wer die Demokratie delegitimiert, wer die Gesellschaft spaltet und Menschen ausgrenzt, mag juristisch betrachtet Recht haben, Wahlkampf zu betreiben und öffentliche Räume dafür zu nutzen. Moralisch ist dies aber nicht hinzunehmen. „Der Protest u.a. von Diakonie und Caritas in Osnabrück markiert, dass Rechtsextremismus bei uns keinen Platz hat“, fügt Pannen an. „Die Öffentlichkeit soll wahrnehmen können, dass es Widerspruch zu Rechtsextremismus gibt.“ Darauf zielt lautstarker Protest an Orten, wo rechtsextremistische Parteien für sich werben. „Wir vermissen Alternativen“, sagt Maren Wilmes, Geschäftsführerin des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Osnabrück. „An einem Tag wie dem Holocaust-Gedenktag Protestierenden gegen rechtsextremistische Parteien vorzuwerfen, diese nur zu stärken, hat uns tief erschüttert.“ Man kann über den Umgang mit rechtsextremistischen Parteien streiten. „Den Protest zivilgesellschaftlicher Gruppen aber ohne das Aufzeigen von Alternativen derart in Verruf zu bringen, stärkt eher Rechtsextremisten“, fährt Wilmes fort. Marylinn Brewer folgend zeichnen sich soziale Gruppen durch Zugehörigkeit und Einzigartigkeit aus. „Das kennen wir auch von Sekten und fundamentalistischen Gruppierungen. Hier von sozialen Gruppen zu sprechen, ist sicher richtig! Funktionäre und Mitglieder rechtsextremistischer Parteien streben in diesem Sinne nach optimaler Unterscheidbarkeit.“ Aussteigerprogramme und ggf. Verbote sind probate Interventionsstrategien. Um jedoch Sympatisant*innen, potenzielle Wähler*innen oder auch nur zufällig Anwesende zu erreichen, sind neben der durch verbalisierten Widerstand erzielten öffentlichen Markierung weitere Strategien notwendig: Enttäuschte müssen durch politische Maßnahmen das Gefühl haben, nicht dauerhaft Enttäuschte zu sein. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl brauchen professionelle Unterstützung, um nicht in extreme Gemeinschaften, die sich durch überdeutliche Abgrenzung nach außen und oftmals unfreie Strukturen der Vergemeinschaftung nach innen abzudriften. Caritas und Diakonie sind in Projekten engagiert, die Demokratie fördern und Extremismus verhindern helfen. „Es ist Zeit, diese Programme auch mit Blick auf das Erstarken rechtsextremistischer Parteien in Deutschland zu stärken und nicht einzuschränken“, fordern die Geschäftsführenden der Wohlfahrtsverbände. Vielfältige Präventions- und Interventionsstrategien müssen im Werkzeugkasten der Demokratie vorhanden sein, will man das Land nicht den Rechten überlassen. Dazu gehöre nach Auffassung von Wilmes und Pannen auch der lautstarke Protest auf den Plätzen unserer Stadt.